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15.02.2019

Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen: Bundesgerichtshof bejaht Fortbestehen von Mitgliedschaftsrechten bis zur Änderung der Gesellschafterliste

Für die Frage, ob ein GmbH-Gesellschafter seine Mitgliedschaftsrechte – insbesondere sein Stimmrecht – in der GmbH ausüben darf, ist die beim Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste maßgeblich. Dies gilt nach einer jüngst vom Bundesgerichtshof ergangenen Entscheidung auch in Fällen, in denen Geschäftsanteile eingezogen wurden, diese Einziehung aber noch nicht in der Gesellschafterliste der GmbH eingetragen ist.

Rechtlicher Hintergrund:

Die Gesellschafterliste hat im Recht der GmbH einen hohen Stellenwert. Im Hinblick auf die Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter (u.a. das Stimmrecht in Gesellschafterversammlungen) gilt grundsätzlich nur derjenige als Gesellschafter, der in die beim Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste eingetragen ist (§ 16 Abs. 1 GmbHG). Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschafterliste unrichtig sein sollte, d.h. wenn die Angaben in der Gesellschafterliste nicht den tatsächlichen Inhaberverhältnissen an der Gesellschaft entsprechen. Wichtigster Anwendungsfall in der Praxis ist eine Veränderung im Gesellschafterbestand aufgrund Verkaufs und Abtretung von Geschäftsanteilen der GmbH. Dabei gilt: Erst wenn der Gesellschafterwechsel in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist, dürfen die Alt-Gesellschafter ihre Mitgliedschaftsrechte in der GmbH nicht mehr ausüben, während die neuen Gesellschafter für die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte ihre Eintragung in der Gesellschafterliste abwarten müssen.

Wesentlicher Unterschied zwischen einer Veränderung im Gesellschafterbestand aufgrund Verkaufs/Abtretung von Geschäftsanteilen und einer Veränderung aufgrund Einziehung ist, dass bei einer Einziehung die betroffenen Geschäftsanteile nicht ihren Inhaber wechseln, sondern mit Mitteilung des Einziehungsbeschlusses an den betroffenen Gesellschafter gänzlich untergehen. Ob daher auch bei einer Einziehung von Geschäftsanteilen die Gesellschafterliste für die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte maßgeblich ist, war bislang ungeklärt und höchstrichterlich nicht entschieden. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage nun bejaht: Solange die Einziehung nicht in der beim Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist, bleibt der Alt-Gesellschafter, dessen Geschäftsanteile eingezogen wurden, stimmberechtigt (BGH vom 20.11.2018 – II ZR 12/17).

Folgen der Entscheidung für die Praxis:

Bis die Einziehung von Geschäftsanteilen in der Gesellschafterliste eingetragen ist, müssen die Gesellschaft und die verbleibenden Gesellschafter die Ausübung des Stimmrechts des Alt-Gesellschafters in Gesellschafterversammlungen akzeptieren, und der Alt-Gesellschafter muss weiterhin zu den Gesellschafterversammlungen geladen werden. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn der betroffene Gesellschafter gegen die Wirksamkeit der Einziehung gerichtlich vorgeht und in dieser Schwebelage keine Eintragung in der Gesellschafterliste der GmbH vorgenommen wird. In solchen Fällen kann der Zeitraum zwischen Einziehung und Eintragung der Veränderung in der Gesellschafterliste Monate, wenn nicht Jahre dauern. Die Akzeptanz des Stimmrechts des Alt-Gesellschafters während dieses langen Zeitraums dürfte der Gesellschaft und den verbleibenden Gesellschaftern dann besonders schwer fallen, wenn die Einziehung der Geschäftsanteile auf persönlichen Gründen beruhte, die es der Gesellschaft und den verbleibenden Gesellschaftern unzumutbar erscheinen ließen, den Alt-Gesellschafter weiter in der Gesellschaft zu dulden.

Ausblick:

Ein kleines „Hintertürchen“ lässt die Entscheidung des Bundesgerichtshofs jedoch offen: Wenn der Alt-Gesellschafter, dessen Geschäftsanteile eingezogen wurden, positiv um die Wirksamkeit der Einziehung weiß oder sie sich ihm aufdrängen muss, könnte es eine Verletzung seiner gesellschafterlichen Treuepflicht sein, wenn er gleichwohl sein Stimmrecht in der Gesellschaft ausübt. In einem solchen Fall könnte der Alt-Gesellschafter unter Umständen gehalten sein, sein Stimmrecht ruhen zu lassen.

Autor/innen

Angela Poschenrieder

Dr. Angela Poschenrieder

Counsel

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